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Der lange Sommer der Theorie

D 2017, 81 min

„Was tun?“ Diskursiv und unterhaltend wird die Forderung nach politischem Handeln von drei jungen Frauen, Nola, Katja und Martina formuliert und in die Tat umgesetzt.

Synopsis

Berlin, Sommer 2016. Im letzten Haus im Niemandsland hinter dem neuen Hauptbahnhof wohnen Nola, Katja und Martina in einer Künstlerinnen-WG. Ihre Zeit ist gezählt, denn bald entsteht hier Europacity. Die drei jungen Frauen leben auch sonst prekär. Katja ist Schauspielerin und hadert mit ihren Rollen, nebenbei vermietet sie Wohnungen an Touristen. Martina ist Fotografin, die keine Lust auf die Schmeicheleien eines Kurators hat und sich lieber mit ihrer Band auf der Bühne die Seele aus dem Leib schreit. Nola macht einen Film, bei dem sie Soziolog_innen, Historiker_innen, Kulturschaffende und Theoretiker_innen interviewt. Ihr geht es um Theorie und wie man sie heute nutzbar machen kann. Nola ist das Zentrum des Films, ihre Interviews erleben wir als Publikum mit. Im mit Sätzen bedrucktem Hosenanzug läuft sie durch den Film zu ihren Gesprächspartner_innen, vorbei an den letzten Baustellen Berlins, durch eine Stadt, die schon verkauft scheint. Es geht um Feminismus, den öffentlichen Raum, Gentrifizierung, Theorie und Praxis im neuen Film von Irene von Alberti. Als essayistisches Diskurstheater inszeniert, bricht DER LANGE SOMMER DER THEORIE immer wieder aufs Neue ganz bewusst in viele unterschiedliche Richtungen aus und stellt damit mehr Fragen, als dass er Antworten geben will.  

Streaming-Info

Der Film ist über unseren Vimeo-Kanal zum Leihen oder Kaufen erhältlich. Weitere Anbieter siehe „Film kaufen“.
Sprache: Deutsch, Untertitel: Englisch, Spanisch

Pressestimmen

Eine großartige Komödie um drei kesse, kluge Berliner Großstadtgören, ein Film, wie ihn Godard in den 60er-Jahren gedreht hätte. Interesse und exquisiter Geschmack im Musikalischen, keine Angst vor Theorie und Lust am Spiel. GODARDS ERBEN. „Die Hauptaufgabe: Uns glücklich zu machen.“ So sagte es eine schon ziemlich glücklich aussehende Filmregisseurin in diesem oder dem vergangenen Berliner Sommer. Sie arbeitet gerade an einem Werk über Selbstoptimierung und ist eine von drei Hauptfiguren in einem der bemerkenswertesten Filme dieses Jahres: „Der lange Sommer der Theorie" von Irene von Alberti hatte auf dem Münchner Filmfest Premiere. Der Film ist eine großartige Komödie um drei kesse, kluge Berliner Großstadtgören, ein Film, wie ihn Godard in den 60er-Jahren gedreht hätte: formal präziser visueller Exzess und Desinteresse an Plots, aber schöne Bilder und ein Feuerwerk aus Dialogwitz. Nebenbei gibt es kleine, wohlgesetzte Bosheiten über „Vergangenheitsrechtfertigungsfilme“, Hipster und „das ganz neoliberale Gequatsche“. (...) Interesse und exquisiter Geschmack im Musikalischen, keine Angst vor Theorie und Lust am Spiel. (Rüdiger Suchsland, Rolling Stone Ausgabe 274/August 2017)

Mit kulturwissenschaftlich geschultem Verve agitieren die Freundinnen gegen die drohende Gentrifizierung und den Rechtsruck, die philosophische Sinnsuche ist ihr Lebensmittelpunkt – und somit der des Films. Was tun gegen den rasenden Stillstand und die Theorielosigkeit des Hochleistungskapitalismus? Irene von Albertis Film ist ein ungewöhnlicher, formfrischer Appell an die Schönheit des Denkens um des Denkens willen. (Johannes Bluth, Indiekino 11.2017)

Die Berliner Regisseurin Irene von Alberti stellt in ihrem Film „Der lange Sommer der Theorie“ so schlau wie humorvoll fundamentale Fragen des Seins. (Fräulein Magazin 1/2018)

Irene von Albertis gewitzter Diskursfilm über den Staus quo des Feminismus, Identitätsfallen, den „Stadtkörper“ und die Möglichkeitsbedingungen einer romantischen Revolte angesichts einer erstarkenden politischen Rechten ist weniger trocken, sondern vielmehr höchstvergnüglich und leicht, undogmatisch und offen. (Wolfgang Nierlin, fimgazette, 20.12.2017)

Regisseurin Irene von Alberti geht es nicht nur um Feminismus: Ihre Heldinnen setzen sich mit Rechtspopulismus auseinander, mit der Frage nach Kunst und Kommerz, Kapitalismus und Wertigkeit, mit Überlegungen zu Sein und Schein und damit, wie Menschen zu mehr Aktivismus motiviert werden können. (Sophie Charlotte Rieger, Missy Magazine 11.2017)

Irene von Alberti skizziert ein komplexes und widersprüchliches Panorama der aktuellen Verhältnisse und versucht zugleich als operativer Film dem Kino die „vita contemplativa“ auszutreiben, indem sich der Film als Hypertext den Neuen Medien öffnet. (Ulrich Kriest, Filmdienst 24/2017)

Eine Bestandaufnahme des linksalternativ-feministischen Zeitgeistes. (Manfred Riepe, epd film 12.2017)

Eine flirrende Wort- und Sinnsuche, Utopie einer anderen Existenz, mit doku­men­ta­ri­schen Interview-Momenten und Film im Film, ohne Angst, dass die Figuren zu künstlich sein könnten. Gäbe es einen Kult-Comic über die WGs im Stil der 68er, Der lange Sommer der Theorie wäre seine Verfil­mung. Zwei Filme mit zwei unter­schied­li­chen Gedanken, beide glei­cher­maßen ideen­reich und kompro­misslos in ihrer Ausfüh­rung. Starkes Kino aus Deutsch­land, das wachmacht. Und zumindest hier profi­tiert München vom Tief­schlaf, in dem sich die Berlinale befindet. (Dunja Bialas, artechock)

Filmfest München 2017: Die Beute ist verteilt, der Kampf muss weitergehen: Irene von Alberti sucht den Funken der Revolution und versprüht ihn dabei selbst. Damit morgen morgen und nicht einfach nur wieder heute ist. Drei Künstlerinnen leben zusammen in einer WG hinter dem großen, gläsernen Berliner Hauptbahnhof, mitten im nächsten Sanierungsgebiet der Stadt. Ihre kleine Insel früherer Lebensstile wird weichen müssen, dem Geld, der Spekulation, der Gentrifizierung. Alles wie immer also? Keineswegs – denn anstatt zu protestieren, wollen sie herausfinden, was es überhaupt zu tun gibt in dieser Welt, für sie, in diesem Augenblick. Irene von Alberti hat einen Film gedreht, der das Nachdenken nicht bloß irgendwie anregt, sondern das Denken denkt: Es wird zum Stoff, zum Kostüm, zum Gegenstand und natürlich zur Dialogzeile.

Unerträglich kann die Hitze werden. Außer man gibt sich ihr hin, wirft sich in sie hinein. Dann wird jeder Tropfen Schweiß zu einem Verbündeten, mit dem sich die Schönheit des Sommers aushalten lässt. So auch die Theorie, die schnell zäh werdende. Aber wenn man sich ihr hingibt, wie Nola (Julia Zange), eine der drei Protagonistinnen in „Der lange Sommer der Theorie“, dann kann sie vitalisierend wirken. [...] Revolution sei nur möglich, wenn man das Leben einer Roman- oder Filmfigur lebe, weil der Alltag jeden subversiven Ansatz auffresse, sagt Philosoph Boris Groys in einem der dokumentarisch gedrehten Interviews und bringt das Konzept des Films auf den Punkt: Die Protagonistinnen wollen ein normales Leben führen. Aber sie wollen es mit „dem Recht auf Faulheit“. Und selbst entscheiden, ob Männer in ihrem Leben eine einschlagende Rolle spielen, oder ob sie durch dekorative Stehlampen ersetzt werden können. In ihrer Coolness schaffen sie einen Postfeminismus mit Sex-Appeal, der den vor Hitze träge gewordenen Geist erfrischt. (Carolina Zimmermann, AZ München, 26.06.2017)

Preise und Festivals

- Filmfest München 2017
- Festival des deutschen Films 2017
- NIHRFF Nuremberg International Human Rights Film Festival 2017
- Filmz – Festival des deutschen Kinos 2017
- Filmmor Women’s Film Festival Istanbul 2018
- Filmmor Women’s Film Festival on Wheels Trabzon, Izmir, Antalya, Bodrum, Mersin, Adana, Diyarbakı 2018
- Tiburon International Film Festival 2018
- Uçan Süpürge 21. Uluslararası Kadın Filmleri Festivali Ankara 2018
- Crossing Europe Filmfestival Linz 2018
- Berlin Art Film Festival 2018
- Deutsche Filmwoche Goethe-Institut Mexiko 2018
- Zilele Filmului German #13 Goethe-Institut Bukarest 2018
- Festival de Cine Alemán Madrid 2019
- 24 Stunden Gegenkultur – Internationales Filmfest Oldenburg, Filme Nonstop Berlin 2019
- Festival de Cine México Alemania CineMA 2020

Weitere Texte

Ein Interview mit Irene von Alberti über ihren Film DER LANGE SOMMER DER THEORIE
(von Inga Behnsen)

Was war der Auslöser diesen Film zu machen?

Am Anfang stand das sehr vage und mulmige Gefühl, dass es – allgemein und pauschal gesprochen – mit dem Frieden bald vorbei sein könnte.  Ich habe gemerkt, dass es dabei nicht nur mir so geht. Viele Leute aus meinem Umfeld dachten zunehmend über politische Positionen nach und darüber, dass angesichts der erstarkenden Rechten politisches Handeln noch wichtiger geworden ist. Politisches Handeln bedeutet aber eben nicht nur auf den „richtigen“ Demos zu sein, Petitionen mit den „richtigen“ Themen zu unterstützen oder seine Meinung zu äußern. Stattdessen muss dem Handeln auch immer ein Denken vorausgehen – das Denken über die Frage: Gibt es eine neue Idee oder eine neue Utopie für das Politische? Diese Frage war der Auslöser für das Drehbuch.

Im Film sagt Nola, dass sie gar keine Antworten erwarte, sondern erst einmal eine Bestandsaufnahme machen möchte.

Diese Bestandsaufnahme ist für mich das Zeitgefühl, das ich in dem Film porträtieren will. Jetzt, 2016, in Berlin. Es ist eine Umbruchszeit. Man hat das Gefühl – wie nach einem langen unbeschwerten Sommer – dass ganz weit hinten am Horizont Wolken aufziehen. Deshalb habe ich den Film in eine Künstlerinnen-WG gelegt, die sich aus ihrer relativ unbeschwerten Situation heraus genau diese Fragen stellen und genau dieses Gefühl besprechen – mit undogmatischer Leichtigkeit und immer in dem Bewusstsein, mit der Beantwortungsunmöglichkeit der Fragen auch straucheln zu können.

Wie bist Du beim Casting vorgegangen?

Beim Drehbuchschreiben haben mich meine zwei Hauptdarstellerinnen Martina Schöne-Radunski und Katja Weilandt inspiriert. Das Buch ist gewissermaßen für sie geschrieben, und sie haben es in diesem Sinne auch mitgeschrieben. Viele ihrer Geschichten sind in den Film eingeflossen – die eine ist Punksängerin und Künstlerin, die andere Lebenskünstlerin und Schauspielerin, die teilweise absurde Casting-Erfahrungen gemacht hat.
Meine dritte Hauptdarstellerin Julia Zange kam erst später dazu. Für die Rolle der Nola, die im Film ja die Filmemacherin spielt, suchte ich eine Autorin, die auch sehr gut interviewen kann. Mit Julia Zange hatte ich das große Glück, dass sie nicht nur Interviews für interessante Magazine wie „L'Officiell“ und „Fräulein“ geführt hat, sondern auch Erfahrungen als Schauspielerin hat. In Philip Grönings neuestem Kinofilm MEIN BRUDER HEIßT ROBERT UND IST EIN IDIOT spielt sie ihre erste Hauptrolle. Ihr Roman „Realitätsgewitter“ ist im November im Aufbau Verlag erschienen, und ihre Romanfigur Marla könnte gewissermaßen die Vorgängerin von Julia Zanges Filmfigur Nola sein.

Wie sieht es mit den Nebenrollen aus?

Das sind alles Leute die ich persönlich kenne, und die Lust hatten mitzumachen. Es sind Schauspieler_innen, Filmemacher_innen, Theaterleute, Kameraleute. Alle tragen ihre eigenen Namen, bis auf Detlef, der ja eine Filmfigur in Nolas Drehbuch darstellt.
Dann sind viele der Figuren „echt“, werden also dokumentarisch gezeigt?
Der Film ist eine Mischung aus Dokumentation und Fiktion. Das reizt mich als Konzept in Filmen immer sehr. Wenn man sich ständig überlegen muss, was jetzt echt, also „wahr“ ist, und was erfunden, und man sich gleichzeitig immer vor Augen führt, wie Filme hergestellt und wie sie beeinflusst werden von den Menschen, die sie machen -so wie ja auch Dokumentarfilme beeinflusst sind- hat man am Ende vielleicht ein besseres Gespür für die Wahrheit. Ich versuche also ständig, die Gedanken auf Trab zu halten.

Woher kommt der Filmtitel?

Der Titel meines Films entstammt dem Buch „Der lange Sommer der Theorie“ von Philipp Felsch. Er beschreibt darin die geistige Grundlage der letzten großen gesellschaftlichen Revolte in den 1960er und 70er Jahren und dass Theorie damals wirklich konstruktiv geholfen hat neue gesellschaftliche Utopien zu kreieren. Mich hat die Frage beschäftigt, wie das heute ist, ob Theorie heute noch so etwas leisten kann. Mein romantisches Bild von der Gruppe im Kollektiv lesender Menschen im Park musste ich ironisch ankratzen, weil man heute viel mehr Texte, Meinungen und Strömungen hat, die ein kollektives Denken verunmöglichen. Ich habe Philipp Felsch getroffen und ihm ein paar Fragen gestellt und dachte es wäre schön, wenn er auch im Film auftritt. So kam die Idee zu dem Konzept, dass eine der drei Frauen im Film Interviews mit Personen zu Fragen führt, die sie sich gerade gesellschaftlich und politisch stellen.

Wie kam die Auswahl der anderen Interviewpartner*innen zustande?

Auf Jutta Allmendinger wurde ich aufmerksam, als ihre Studie "Das Vermächtnis" in der ZEIT erschien. Sie benutzt darin ein dreistufiges Fragenkonzept, um die „wirkliche“ Haltung von Befragten herauszufinden. Die Philosophin Rahel Jaeggi hat ein Buch über Lebensformen geschrieben, über die auch die drei Freundinnen in ihrer Wohngemeinschaft philosophieren. Lilly Lent und Andrea Trumann haben sehr klug über den Zusammenhang zwischen staatlicher Familienförderung und Feminismus geschrieben. Carl Hegemanns Texte über Theater und Film und die Haltung von Boris Groys, zum Beispiel beim „Attaistischen Kongress“ von Christoph Schlingensief, finde ich sehr spannend. Die Reihe spannender Texte ließe sich endlos fortsetzen, und wir haben tatsächlich auch schon darüber nachgedacht DER LANGE SOMMER DER THEORIE als Serie fortzusetzen. Zuerst werden zur Premiere des Films alle Interviews in voller Länge auf die Homepage der Filmgalerie 451 gestellt. Im Film sind ja lediglich Sequenzen daraus zu sehen.

Die Spielszenen in der Wohngemeinschaft erinnern manchmal an ein Theaterstück.

Das ist bewusst so inszeniert, denn ich wollte keine  vermeintlich realistische WG zeigen. Deswegen habe ich die Szenen- und Kostümbildnerin Janina Audick, die viel an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und an zahlreichen anderen Theatern arbeitet, gefragt, ob sie das Bühnen- und Kostümbild für den Film entwerfen möchte. Die Kamerafrau Jenny Lou Ziegel hat wiederum die Orte mit genauer Lichtsetzung und Kadrierung demensprechend theaterhaft umgesetzt. Daneben war unser Konzept, auch die dokumentarischen Interviews in Bildern zu zeigen, die sich nicht von den Spielfilmteilen unterscheiden.

Im Film gibt es ja viele Situationen in denen geredet und diskutiert wird. Am Ende möchte man entweder sofort etwas lesen oder mit Leuten diskutieren.

Wenn das so funktioniert, freue ich mich. Das ist genau, was der Film erreichen will.

Hintergrundinformationen

DER LANGE SOMMER DER THEORIE war ursprünglich als Fortsetzung zum Episodenfilm STADT ALS BEUTE (2005) geplant, bei dem Irene von Alberti, Miriam Dehne und Esther Gronenborn bei jeweils einer der drei lose miteinander verbundenen Geschichten Regie führten. Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von René Pollesch, ging es bereits im Film STADT ALS BEUTE auf oft spielerische und diskursive Weise um den „Ausverkauf“ der Stadt Berlin nach der Wiedervereinigung. Die Fragen, wie es heute mit dem Verbleib von öffentlichem Raum, dem rasanten Verkauf städtischer Immobilien an ausländische und inländische Investoren und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Bewohner*innen der Stadt aussieht, beschäftigten Irene von Alberti seither. 

Mit dem raschen Erstarken populistischer und rechtsextremer Kräfte in Deutschland in den letzten Jahren, stellte sich für die Drehbuchautorin und Regisseurin zudem die Frage nach einer politischen Positionierung und dem Zusammenhang zwischen dem Wandel der Stadt und dem Wandel der Gesellschaft noch einmal neu. Bestimmte gesellschaftliche Trends wie Individualisierung, Kommerzialisierung und die Wiederkehr eines bestimmten  Konservativismus lassen sich ihrer Meinung nach in Verbindung bringen mit den politischen Entwicklungen eines Systems, dessen festgefahrene politische Strukturen zum einen kontinuierlich erhalten und erneuert werden, zum anderen aber zu Protest und Unzufriedenheit führen. Das Gleiche ließe sich in der Folge auch über eine Stadtplanung sagen, in deren Konsequenz mittlerweile fast alle urbanen Freiräume Berlins privatisiert und damit unnutzbar scheinen. Alberti bezeichnet DER LANGE SOMMER DER THEORIE deshalb auch als einen Film über die letzten Baustellen der Stadt, die zehn Jahre später die letzten Möglichkeitsräume schließen, da die letzten Lücken der Stadt gefüllt werden, mit Stadtschlössern oder großangelegten Wohn- und Kosumprojekten.

Inspiration, Ideen- und Titelgeber zum Film war schließlich das gleichnamige Buch des Historikers Philipp Felsch „Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960 bis 1990“. In seiner Kultur- und Geistesgeschichte geht Felsch am Beispiel der Publikationen des Merve Buchverlages in Westberlin einer 30-jährigen Geschichte linker Theorie und (studentischer) Praxis nach. Angefangen beim schwarz-weißen Buchcover, das eine Gruppe junger Studierender friedlich lesend im Park zeigt, begann Irene von Alberti Überlegungen anzustellen über eine oftmals glorifizierte Epoche der Theorierezeption und ihrer möglichen Übertragbarkeit ins Heute.

Beginnend mit den studentischen Protesten der 1960er Jahre, schienen diese vergangenen Zeiten von einem Wir-Gefühl geprägt, das im Gegensatz zu stehen scheint zum heutigen Phänomen einer individualisierten Selbstoptimierung. Die Feindbilder, so Alberti,  waren damals so klar wie die Forderungen, die sich aus den intensiv studierten und diskutierten Texten ergaben. Die Gedanken schienen zumal kollektiver und die Grundstimmung eher von Empathie und Solidarität geprägt. Die dem Film zugrunde liegenden Fragen, die sich Irene von Alberti stellte, waren: Kann man an diese Zeit und ihren anderen, intensiven Umgang mit Texten und einem anderen Lesen anknüpfen? Und: Wie kann Theorie auch heute noch in politische Praxis übertragen werden? Dem Drehbuch ging schließlich eine mehrmonatige textliche Vorbereitungsphase voraus, an deren Ende Irene von Albertis subjektive und intuitive Auswahl von Theoretiker*innen und Theorien stand, die im Film verhandelt und präsentiert werden sollten.

Die Spielfilmhandlung, die um die drei jungen Frauen Nola, Katja und Martina kreist, stand im Gegensatz zu den ergebnisoffenen Interviews bereits im Voraus als Drehbuch fest. Filmische Mischformen im Allgemeinen und spezifisch die Verbindung dokumentarischer und klar fiktionaler Elemente interessierte die Regisseurin bei ihrer Arbeit an DER LANGE SOMMER DER THEORIE besonders.

Die künstliche Überhöhung der Figuren, deren private, professionelle und biografische Hintergründe im Film höchstens am Rande eine Rolle spielen, stehen hier im Gegensatz zu einem filmischen Realismus, den von Alberti, ähnlich wie in den Theaterstücken René Polleschs, bewusst nicht bedienen wollte. Kostüme, Ausstattung, Dialoge und Bildgestaltung sollen hier eine Theaterhaftigkeit zitieren, die eine klare Identifikation mit den Protagonistinnen sowie die Behauptung von etwas „Echtem“ oder sogar „Authentischem“ vermeiden will, da es zur Verhandlung von Theorie im Film nicht gepasst hätte, so Alberti. Der Satz „Nehmen wir also an, wir wohnen hier zu dritt“ aus dem Munde der Figur Nola zu Beginn des Films gibt das Hypothetische der Wohngemeinschaft, aber auch ihrer Bewohnerinnen vor, deren Persönlichkeiten als Behauptungen bis zum Ende bewusst offen bleiben.

Dem Drehbuch gingen lange Gespräche zwischen der Regisseurin und ihren Darstellerinnen Julia Zange, Katja Weilandt und Martina Schöne-Radunski voraus, in denen sie die Schauspielerinnen danach befragte, wie sie sich zu bestimmten sozialen Zuständen verhalten. Dadurch flossen zahlreiche biografische Momente der Darstellerinnen in das Drehbuch ein, ohne dass dies nachher im Film notwendiger Weise erkennbar wäre. So spielte Martina Schöne-Radunski tatsächlich einmal ein Leiche am Theater, hat mit ihren Fotos von „Akne-Leggings“ die renommierte Modemarke „Acne“ persifliert und ist Mitbegründerin der Noise-Punk Band „Cuntroaches“, die im Film bei einem Gig zu sehen ist. Katja Weilandt ist wie ihre Figur im Film selbst auch hauptberuflich Schauspielerin und hat äußerst dubiose Castings erlebt. Julia Zange ist tatsächlich Schriftstellerin und Journalistin und eher zufällig zur Schauspielerei gekommen.

Nebenrollen und Kurzauftritte sind mit Kolleg*innen und oft befreundeten Schauspieler_innen wie Susanne Bredehöft, Paula Knüpling und Lukas Steltner oder Kulturschaffenden wie Tina Pfurr besetzt, darunter zahlreiche Regisseure wie Timo Jacobs, Aljoscha Weskott und Stephan Geene. 

Die Interviews des Filmes dauern im Film jeweils vier bis fünf Minuten, waren aber ursprünglich 30 bis 40 Minuten lang. Da sich DER LANGE SOMMER DER THEORIE als Diskursfilm versteht, der die verhandelten und teilweise nur angeschnittenen Debatten und Diskussionen des Filmes außerhalb des Kinosaals fortführen möchte, werden alle Interviews in voller Länge nach der Uraufführung des Films auf YouTube und der Homepage der Filmgalerie 451 verfügbar sein. Aktiv zu werden, sich mehr zu informieren, mehr zu lesen und zu handeln ist das ausgesprochene Ziel des Filmes. 

Galerie Extras

Setfotos

Video Extra

Interviews mit Philipp Felsch, Rahel Jaeggi, Lilly Lent und Andrea Trumann, Carl Hegemann, Jutta Allmendinger, Boris Groys in voller Länge auf YouTube und als Bonus-Feature bei Vimeo



PDF

DVD-Booklet

Credits

Buch und Regie
Irene von Alberti
Mit
Julia Zange, Katja Weilandt, Martina Schöne-Radunski, Timo Jacobs, Mario Mentrup, Lukas Steltner, Paula Knüpling, Tina Pfurr, Niklas Kohrt, Jörg Rühl, Jakob Bieber, Fabian Joest Passamonte, Hans Piesbergen, Aljoscha Weskott, Marek Iwicki, Hassan Issa, Susanne Bredehöft, Toby Ashraf, Simon Elson, David Hantelius, Per Warberg, Ronnie Mertens, Luisa Rathmann, the cuntroaches
Interviewpartner_innen (in der Reihenfolge ihres Auftretens)
Philipp Felsch, Rahel Jaeggi, Lilly Lent und Andrea Trumann, Carl Hegemann, Jutta Allmendinger, Boris Groys
Director of Photography
Jenny Lou Ziegel
Montage
Silke Botsch
1. Kameraassistenz
Annika Eysel
Tonmeister
Rainer Gerlach
Tonassistenz
Misha Bours, Ron Klober
Zusatz-Tonassistenz
Konrad Schlaich
Szenenbild und Kostüm
Janina Audick
Innenrequisite
Marlene Gartner
Szenenbild- und Kostümassistenz
Franziska Sauer
2. Kostümassistenz
Daniela Zorrozua
Garderobe
Simone Kreska
Maskenbild
Ljiljana Müller
Zusatz-Maske
Anke Thot
Oberbeleuchter
Markus Koob
Beleuchter
Antonio Venegas
Praktikant Licht und Kamera
Paul von Heymann
1. Regieassistenz
Stefan Nickel
Dramaturgie
Viviana Kammel
Schnitt-Beratung
Janina Herhoffer
Pratikant Set-AL
Lennart Romahn
Set-Aufnahmeleiter
Sascha Wiese
1. Aufnahmeleiterin
Marie Christin Wartenberg
Produktionsassistenz
Julia M. Müller
Produzent
Frieder Schlaich
Produziert von
Filmgalerie 451
Mit Unterstützung von 
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien BKM
Kinostart (DE)
23.11.2017
Uraufführung
Filmfest München 24.06.2017

DVD-Infos

Extras
Ungekürzte Interviews mit Philipp Felsch, Rahel Jaeggi, Lilly Lent & Andrea Trumann, Carl Hegemann, Jutta Allmendinger, Boris Groys (149 min), Zusätzliche Szenen, Alternativer Anfang (6 min), Original Kino-Trailer (2 min)
Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Regionalcode
Code-free
System
PAL / Farbe
Laufzeit
81 min + 157 min Extras
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo und DD 5.1
Inhalt
Softbox (Set Inhalt: 1), Booklet mit Texten und Bildern
Veröffentlichung
29.06.2018
FSK
Ohne Altersbeschränkung

Kinoverleih-Infos

Verleihkopien
DCP (2K, 24 fps, 5.1)
Blu-ray Disc
Bildformat
16:9
Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch, Spanisch
Werbematerial
Trailer, A1-Poster
Lizenzgebiet
Weltweit
FSK
Ohne Altersbeschränkung